Die Wurstichität Die "Wurstichität"

Vier Hauptarten der deutschen Wurst dürften uralt sein. Der Spielmann Kunig von de Ostenwalt, der am Anfang des 14. Jahrhunderts lebte und in seinen Liedern das Stroh auf Kosten der Seide, das Huhn zu Ungunsten der Singvögel, die Kuh, das Schaf, das Schwein höchst realistisch verherrlichte, zählt in seinem Gedicht vom Schein die vier Hauptarten auf, die damals beliebt und gewöhnlich gewesen sein müssen: die Hirnwurst, Blutwurst, Leberwurst und Fleisch- oder Bratwurst. Es heißt dort:


"nû sol ich betrachten würste in vier achten,
vom hirne und vom sweize, auch leberwürste heize,
und würste vome brôte, die behelt man spôte."

Eine wunderliche Wurstsammlung, Sorten und Namen, die längst nicht mehr in Gebrauch und in ihrer Bedeutung in Vergessenheit geraten sind, befindet sich bei Fischart in "Grangoschiers Kasten und Keller", eine ganze "Wurstichität", wie er sagt, an "gedörrten, gereucherten, gesottenen, gepratenen per omnes casus unnd Spezies Würsten, Halsbesteckten Leberwürsten, Kropfstopffenden würgenden Pluthunden, glatgehöbelten Schübling und Pratwürsten, Lantzknechtlichen Schübelwürsten, räsen Pfefferwürsten, Bauchplehigen Rosswürsten, stulgengigen Mettwürsten, zitterigen Rech und Hasenwürsten, Rosenwürsten, Saltzsutzen, Kroptösigen Plutwürsten und Flämmichen Hillen ... die man zur größten zier umb den Tisch henckt, daß sie eym auff Schlachraffisch ins maul hencken, und alle andere omnis generis fartzimina, welche er alle, wann er zur Zech ging an gürtel umher hencket, wie die Schwebische Furleut die rote senckel ... Unnd solche Schweinene Ael ließ er nit pingen von Luca: Wiewohl sie daselbs dz künstlich Wursteisen und die gantz wurschtichitet wöllen erfunden haben; dann er forcht, sie möchtens jm auch schmincken und schmieren, wie sich die Weiber daselbst durchleuchtig anstreichen. Auch nicht von von Bolonien, dann er besorgt das Lombardisch gifft. Sonder von Dingelfingen: von Filzhofen, auss Bauren Baierland: auss der Eifel und wo der Sautreck eycheln gibt, und die Eicheln wider sautreck machen."

Greifen wir uns einige heraus und betrachten sie näher:

Schüblinge
Die "Schüblinge", vielriebige Fleischwürste, die gekocht oder gebraten verschlungen werden, sind wohl noch am bekanntesten. Sie kommen im Bodenseegebiet noch heute vor und im Allgäu. Ihr Name weist auf die Herstellungsart und hängt zweifellos mit "schieben" zusammen. Schon althochdeutsch sind sie als "scubling" und mittelhochdeutsch als "schübelinc" bezeugt, was sich auf das Einschieben oder Einstopfen des Wurstgutes in die Därme bezieht.

Rosenwürste

Die "Rosenwürste" und "Röselwürste", die auch Hans Sachs des öfteren nennt, haben keineswegs poetisch etwas mit der Rose zu tun noch mit dem edlen Roß. Es gibt sie schon mittelhochdeutsch als rôsenwurst, rôswurst, rooszwurst, was wörtlich ncihts weiter als "Fettwurst" bedeutet; denn der "Rosel" ist das Fett, des Schweines unter den Rippen. Dieses Wort kam früh außer Gebrauch, wurde nicht mehr verstanden und um das nicht mehr verständliche Wort zu erklären, brachte es das Volk mit einem lautlich ähnlichen, näher liegenden Wort in Zusammenhang, der Rose oder dem Roß, ein Vorgang, der in der Sprache verhältnismäßig häufig vorkommt und als Volksetymologie bezeichnet wird. Die Rosenwurst war also eine Wurst, die mit viel Schweinefett gemacht war. In der Nürnberger Polizeiverordnung 236 heißt es: "es sollen auch leberwürst und rôsenwürst nicht anders dann in schweinnin derme gefüllt und nicht anders dann auch dem gewicht verkauft werden."

Pagenwürste
Wohl aber mit dem Roß hängen, wie man gar nicht vermuten würde, die hocharistokratisch anmutenden "Pagenwürste" zusammen. Denn sie wurden nicht etwa von Pagen, die am Hofe dienen, mit Vorliebe verzehrt, sondern pagen ist ein verloren gegangenes Wort für Pferd. Ursprünglich wurde es ohne Geeingschätzung gebraucht, später machte es den gleichen verschlechternden (pejorativen) Bedeutungswandel durch, wie die Kläpper und die Mähre, die freilich heute in Marschall (althochdeutsch marahscalc = Mährenschalk = Pfederknecht) ein Beispiel für einen verbessernden (melorativen) Bedeutungswandel wäre. - "Pagenwurst" ist demnach Pferdewurst; der "Pagenstecher" war der Pferdemetzger und nichts anderes bedeutet der heute noch vorhandene Familienname. Über Pferdewurst-Essen, das zuweilen ungeahnte Ausmaße annahm, wäre viel zu sagen.

Saltzutzen
Die "Saltzutzen" Fischarts werden wohl Bratwürste, die heute noch bekannten "Kölner Saucischen" sein. Wann zuerst diese Bezeichnung auftauchte, konnte nicht ermittelt werden. Trotz ihres französischen Namens haben diese Würstel in Frankreich kein Vorbild. Nur in den benachbarten Niederlanden kommen sie unter dem Namen salcijsken vor.

Marcus Knackwurst erwäwhnt sie in seiner "Wurstologia" (Bachdruck um 1700; in früheren Ausgaben nicht!) und beschreibt sie folgendermaßen: "Dieses sind kleine Würstgen eines guten Fingers lang / und eines Daumens Dicke / werden von dem besten Schweinen Fleisch in kleine Fercken-Darmen eingefüllet / wozu gewisse Leute sich jetzo finden / die man Sausisgenmacher nennet. Sie werden in Ober- und Nieder-Teuschland gerne gegessen / und ich muß gestehen / daß sie nicht uneben schmecken / wenn man sie in Senff und Butter wohl umbkehret." Er fügt dann noch eine Schnurre an, wie ein Bauer in einer Branttwein-, Bier- und Weinschenke der Stadt Gambrivia (!!) einkehret, um dort ein Holz zu verkaufen und sich "toll und voll" an "Sausisgen" isst, so sehr, dass er, als der Wirt ihm die Gegenrechnung präsentiert, nichts mehr für seine Holzlieferung herausbekommt.

Die Berufsbezeichnung "Saltzitzienmacher" ist zum mindesten für das 17. Jahrhundert für den Wurstmacher überhaupt belegt durch die deutsche Ausgabe der "Piazza Universale: das ist Allgemeiner Schauplatz / Markt du Zusammenkunfft aller Professionen etc." des Thomas Garzoni, Frankfurt am Main 1641. (Erste italienische Ausgabe, Venetia 1593. 4°)

Klobwürste

Die "Klobwürste", die, genau so lautend, mittelhochdeutsch als "klobwürst" bezeugt sind, waren in den Fettdarm gefüllt, den sogenannten "Klobdarm", den "feiszest darm". Bei Meister Johannes Handlaub, dem großen Lyriker um 1300, der auch ein Schlemmerlied schrieb, heißt es: "ân klobwürst solt dus niht lân" und "klobewürste und niuwen win, trag ouch har in."


Quelle: www.wurst.de
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